Armeetelephon Modell 1932
Zu Pfadfinderzeiten kam ich in Kontakt mit zwei Apparaten des Armeetelephons 1932, kurz ATf 32, und war begeistert von seiner massiven Ausführung, einfachen Elektronik, natürlich vom Kurbelinduktor, und dem altertümlichen Geruch. Viele Jahre später kam ich durch Schenkung in Besitz von zwei ATf 32, habe sie zerlegt, gereinigt, restauriert und zur Freude der eigenen Kinder wieder in Betrieb genommen. Es sind die Apparate Nr 2752 von 1933 und Nr 3752 von 1939.
Geschichte
Entwickelt wurde das ATf 32 von der Firma Albiswerk AG in Zürich, welche aus der Übernahme der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Protos Telephonwerke AG durch Siemens und Halske aus Berlin entstand. Hergestellt wurde das ATf 32 von den Firmen Albiswerk AG und, in Lizenz, Autophon AG (Solothurn), Hasler AG (Bern) und Gfeller AG (Flamatt). Es entstanden in zwei Serien zunächst 1000 Stück 1932-35 und dann gut 11'000 Stück 1935-46. Die Armee erhielt damit ein Einheitstelephon, welches bis in die 70er Jahre verwendet wurde. Wegen der grossen Stückzahl existieren auch heute noch viele ATf 32 und können mit etwas Glück für weniger als 100 Fr erworben werden (z.B. bei ricardo.ch oder tutti.ch).
Aufbau
Das ATf 32 besteht aus einem Chassis aus schwarz emailliertem Metall (die erste Serie war feldgrün) in einem Holzkasten mit Schellack-Anstrich. (Schellack hat einen sehr schönen Glanz, ist zwar unlöslich in Wasser, quillt aber und wird von Alkohol gelöst.) Mit einem Lederriemen kann der Kasten als 9.5 kg schwerer und 33×24×14 cm grosser Rucksack getragen werden. Im Chassis ist die Elektronik untergebracht: der Übertrager (Spule) und Summer, Kondensatoren, Überspannungsableiter, Batteriefach für zwei Leclanché Lagerelemente (2 mal 1.5V in Serie), eine ziemlich wohlklingende Glocke und vor allem der eindrückliche Kurbelinduktor (nominell etwa 70V, bei heftigem Kurbeln kommt man gut auf 120V). Ebenfalls im Chassis sind die Verdrahtung und die diversen Tasten- und Umschaltkontakte, sowie zwei Ersatz-Überspannungsableiter. Auf dem Chassis ist die ausziehbare Gabel montiert. Im Holzkasten finden sich neben dem Chassis das Mikrotelephon und der Kopfhörer, beide aus schwarzem Bakelit, sowie ein kurzes Verbindungskabel zum Zusammenschluss zweier ATf 32.
Betrieb
Das ATf 32 wird typischerweise mit einer lokalen Batterie (OB = Ortsbatterie bzw. LB = Lokalbatterie) betrieben. Alternativ ist auch die Betriebsart ZB (Zentralbatterie) möglich. Für den OB-Betrieb kommen zwei “Lagerelemente” in Serie zum Einsatz, welche eine Spannung von 3V für Mikrophon und Summer liefern. Die “Lagerelemente” (auch “Feldelemente” genannt), sind zwei Zink-Kohle-Batterien von Leclanché. Diese mussten vor Betrieb nach Anleitung mit Wasser befüllt werden, um das Elektrolyt (Salmiaksalz, Ammoniumchlorid) zu aktivieren. Ebenfalls musste ein kleiner Glasstutzen abgebrochen werden, durch den dann die Batteriegase entwichen. (Der Begriff “Trockenbatterie” bezeichnet eine Weiterentwicklung, bei der kein flüssiges Elektrolyt mehr verwendet und dadurch die Handhabung einfacher wird. Das Leclanché-Element war eine “Nassbatterie”.) Das ATf 32 funktioniert auch gut mit einer heute handelsüblichen 4.5V Flachbatterie. Der Kurbelinduktor dient dem Ruf der Gegenstation.
Funktion
Im abgebildeten Prinzipschema sind die Bauteile wie folgt bezeichnet: LA und LB Leitungsklemmen, E Erdungsklemme, S1 und S2 Überspannungsableiter, I Kurbelinduktor mit UK Umschaltkontakt, W Wecker (Glocke), Ü/Su Übertrager (Transformator) und Summer, M.T. Mikrotelephon (Hörer und Mikrophon), B Batterie (zwei Lagerelemente in Serie), GK Gabelkontakt (gedrückt), SuT Summertaste (Ruhestellung), K1 Kondensator 2μF, K2 und K3 Kondensatoren 0.5 μF. Nicht eingezeichet ist die Lauthörtaste, der Kopfhörer und die beiden Klinken für Anschluss bzw. Vermittlung.
Die Überspannungsableiter sind bei normalen Spannungen hochohmige Widerstände. Ab der Zündspannung von etwa 260V wird das Gas in der Röhre ionisiert und ein guter Leiter. Überspannungen werden so zur Erde (Klemme E) abgeleitet. Ab einer Spannung von etwa 70V beginnt das Gas in der Kapsel zu fluoreszieren (im Dunkeln bei entsprechendem Kurbeln leicht zu beobachten). Im ZB-Betrieb sperrt der Kondensator K1 bei gedrückter Gabel den Amtsstrom (Gleichstrom); bei abgehobenem Mikrotelephon wird K1 kurzgeschlossen, so dass über den Wecker ein Gleichstromfluss möglich wird (dessen Bedeutung mir aber unklar ist).
Zum Verständnis der Funktionsweise lassen sich die folgenden Kreise unterscheiden (im Diagramm jeweils fett hervorgehoben). Durch den Übertrager sind Mikrophon- und Hörer/Leitungskreis galvanisch voneinander getrennt. Der Mikrophon-Gleichstrom erreicht so nicht den Hörer und auch nicht die Leitung. Durch das Wicklungsverhältnis (P:S = 1:4) haben die Wechselströme auf der Sekundärseite eine höhere Spannung, was für die Übertragung über die Leitung vorteilhaft ist.
Mikrophonkreis: Schallwellen verändern den Widerstand im Mikrophon, wodurch ein pulsierender Gleichstrom im Mikrophonkreis entsteht. In der Sekundärspule S des Übertragers wird dadurch ein Wechselstrom induziert, der über die Leitung zur Gegenstation gelangt.
Hörerkreis (bzw. Leitungskreis): Die Sprechströme haben eine Frequenz von um die 800 Hz; der Kondensator K2 mit 0.5 μF stellt dem nur eine geringe Impedanz von etwa 400 Ohm entgegen, die Spulen des Weckers aber eine sehr grosse. Der Hörer überträgt die Wechelstrom-Schwingungen der Leitung in Schallwellen. Durch Drücken der Lauthörtaste (nicht gezeichnet) wird die Sekundärspule S des Übertragers kurzgeschlossen und dadurch der Widerstand um die Impedanz von S reduziert, was ein bessers Hören ermöglicht.
Summerkreis: Drücken der Summertaste unterbricht den Mikrophonkreis und schliesst den Summerkreis. Die Membrane im Summer wird magnetisch angezogen, wodurch sich der Kontakt K öffnet und die Membrane wieder in die Ruheposition gelangt und dadurch den Kontakt K wieder schliesst (Selbstunterbrechung). So entsteht ein pulsierender Gleichstrom von etwa 500 Hz in der Primärspule P. Der in der Sekundärspule S induzierte Wechselstrom gelangt auf die Leitung. Der 0.5 μF Kondensator K3 dient der Funkenlöschung beim Öffnen des Kontakts K und schützt ihn so vor Abnutzung.
Induktorkreis: Bei Betätigung der Kurbel wird der Umschalter UK umgelegt, dadurch der Induktor an die Leitung angeschlossen und der Rest des Telephons abgetrennt.
Weckerkreis: Der ankommende Rufstrom von etwa 20 Hz gelangt über den 2 μF Kondensator K2 auf den Wecker. Der parallel dazu liegende Hörerkreis wird über den Kondensator K2 von 0.2 μF abgekoppelt (er stellt dieser Frequenz einen kapazitiven Widerstand von etwa 16k Ohm entgegen).
Bilder
Anmerkungen
Autophon fusionierte 1984 mit Gfeller und 1987 mit Hasler und Zellweger zur Ascom, die heute noch existiert.
Die Stiftung HAMFU (Historisches Armeematerial der Führungsunterstützung) betreibt ein Sammlungszentrum in Uster und hat auf ihrer Webseite Bilder und weitere Dokumente zu ihrer Sammlung. Hier findet sich insbesondere ein Scan des Reglements 58.103 über das ATf 32, in welchem die Funktionsweise mitsamt Schaltungsplänen detailliert erläutert ist.
Auf der Website www.armyphone.ch werden als “Feldtelephon” (FTf) die Apparate in Leder oder Segeltuch bezeichnet, als “Armeetelephon” (ATf) jene im Holzkasten. Wie geläufig diese Unterscheidung ist, entzieht sich meiner Kenntnis, jedenfalls ist der Einsatz “im Felde” sowohl mit FTf als auch mit ATf möglich.
Bakelit: erster industriell hergestellter Kunststoff, lässt sich in Formen pressen und ist nach der Aushärtung widerstandsfähig gegen Wärme, mechanische Einwirkung und Säure, allerdings spröde. Schellack: die harzige Ausscheidung der Lackschildlaus, die vor allem in Südostasien auf verschiedenen Bäumen lebt und von deren Pflanzensaft schmarotzt; wurde unter anderem als Lack verwendet und ist auch heute noch im Farbengeschäft erhältlich. Impedanz: Wechselstromwiderstand. Galvanische Trennung: Unterbindung der Stromleitung zwischen zwei Systemen bei gleichzeitiger Leistungs- oder Signalübertragung. Technisch realisierbar unter anderem mit Transformatoren (induktive Kopplung) und Kondensatoren (kapazitive Kopplung).
Referenzen
Website www.hamfu.ch der Stiftung HAMFU (Historisches Armeematerial Führungsunterstützung), darin Eintrag zum ATf 32
Reglement 58.103 zum ATf 32 (Scan der Stiftung HAMFU)
Feldtelefone von 1880 bis 1996 auf www.armyphone.ch
Wikipedia: Sprechstellenschaltung zu OB/LB vs ZB
Bilder: eigene Photographien der eigenen Apparate
Schaltpläne: nach Figuren im zitierten Reglement
(ATf32.drawio)
ujr, Juni 2020